Der Lengericher Gedenkpfad erinnert an die staatlich organisierten Krankenmorde während der Zeit des Nationalsozialismus und informiert über das erlittene Unrecht.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der damaligen Provinzialheilanstalt Lengerich waren beteiligt und tragen Mitschuld. Sie haben Meldebögen über psychisch kranke Menschen ausgefüllt, bei der Organisation der Krankentransporte geholfen und auf diese Weise die „Euthanasie“ genannten Krankentötungen mit vorbereitet.
Ein blaues Minus - (Leben) oder ein rotes Plus + (Tod)
auf den Meldebögen entschied in Berlin über Leben oder Tod. Namentlich bekannt sind 440 Patienten und Patientinnen, die aus dieser Klinik mit dem Ziel der Tötung abtransportiert wurden.
Es ist unbegreiflich, dass diese schrecklichen und nicht entschuldbaren Verbrechen gegen psychisch kranke Menschen geschehen konnten und dass sich viele der Täter nach 1945 weder menschlich noch juristisch verantworten mussten.
Betroffene und Angehörige mussten es als Unrecht empfinden, dass die geschichtliche Aufarbeitung erst mit Jahrzehnten der Verzögerung begann.
Das gedenkende Erinnern an dieses Unrecht verpflichtet die LWL-Klinik Lengerich und alle Mitarbeitenden im beruflichen Handeln.
Zwei Fragen stellen sich immer wieder neu:
Wofür steht die Klinik ein? Wonach richten wir unser Handeln aus?
Mit einem formlosen Ermächtigungsschreiben, rückdatiert auf den 1. September 1939, gab Adolf Hitler den Auftrag für den staatlichen Massenmord an kranken und behinderten Menschen. Sogenanntes lebensunwertes Leben sollte nicht weitergetragen werden können. Schätzungsweise 300.000 Menschen fielen diesem Massenmord in Europa zum Opfer.
Die Provinzialheilanstalt Lengerich, deren Erbe die LWL-Klinik Lengerich antrat, war Teil des Mordsystems der NS – „Euthanasie“: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter füllten Meldebögen über psychisch Kranke aus und sandten sie an die Zentrale in Berlin zurück. Am Vorabend der Verschleppung bereiteten sie die Patientinnen und Patienten für den Transport - die erzwungene Fahrt - vor, indem sie ihnen ihre Transportnummern auf den Rücken schrieben.
Alle, die bei diesen Verbrechen an den Patientinnen und Patienten auf ihre eigene Weise unmittelbar oder mittelbar mitgewirkt haben, tragen individuelle Schuld, ebenso wie die Klinik als Institution mitschuldig geworden ist.
Mit dem Gedenkpfad, der zur Tafel (s. Foto o.) mit den 440 Namen der abtransportierten Menschen führt, will die Klinik an jeden einzelnen Patienten und jede einzelne Patientin namentlich erinnern und ihnen ihre Würde zurückgeben.
Das bedeutet für uns als Klinik, für jede Einzelne und für jeden Einzelnen, eine Haltung zu fördern, die mit Wachsamkeit Gefährdungen der Menschwürde entgegentritt.
Der Gedenkpfad soll das Gedenken an die Krankenmorde öffentlich und in besonderer Weise sichtbar machen.
Bei der Begehung des Gedenkpfades geht es darum, sich verunsichern zu lassen – eine besondere Möglichkeit der Opfer zu gedenken und ein guter Anlass, für heute und morgen Verantwortung zu übernehmen.
Ab Oktober 1939 gingen in den Kliniken und Anstalten im Reichsgebiet Meldebögen ein, die diese ausfüllten und an die Zentrale in Berlin sendeten.
Dieses organisatorische Zentrum hatte später seinen Sitz in der Tiergartenstraße 4, weshalb der Massenmord später auch "T4-Aktion" genannt wurde.
Die Bögen, die von den Klinikärzten auszufüllen waren, sollten vor allem die Arbeitsfähigkeit der Patientinnen und Patienten bzw. Pfleglinge erfassen, denn nach der rassenhygienischen Ideologie der Nationalsozialisten sollten nur die leben dürfen, die arbeiten konnten oder bei denen Heilungsaussichten bestanden.
Dementsprechend wurde von den Gutachtern und Obergutachtern in Berlin über das Schicksal der Menschen entschieden: Ein blaues Minus – (Leben) oder ein rotes Plus + (Tod) entschied in Berlin über Leben oder Tod.
Die damalige Provinzialheilanstalt Lengerich erhielt Transportlisten mit den Namen der Patientinnen und Patienten, die in eine Zwischenanstalt transportiert werden sollten, bevor sie von dort in die Gasmordanstalten weiterverlegt wurden.
Entsprechend der antisemitischen Rassenlehre des NS-Regimes wurden auch in Lengerich als erstes jüdische Patienten und Patientinnen deportiert. Am 21. September 1940 wurden sieben Jüdinnen und Juden nach Wunstorf Niedersachsen gebracht, von dort aus erfolgte die Weiterverlegung in die Mordanstalt Brandenburg an der Havel.
Anders als bei den nichtjüdischen psychisch Kranken war für ihr Schicksal nur der Umstand, dass sie jüdisch waren, ausschlaggebend und nicht ihre Arbeitsfähigkeit oder Heilbarkeit.
Mit dem nächsten Transport am 1. Juli 1941 wurden 222 Menschen mit dem Zug vom Bahnhof Lengerich in die Zwischenanstalt Eichberg verlegt. Wenige Tage später erfolgte der Transport in die Tötungsanstalt Hadamar, wo alle ermordet wurden.
Knapp zwei Monate danach, am 26. August 1941, wurden nochmals 211 Patienten und Patientinnen ins hessische Weilmünster abtransportiert. Ein Teil dieser Menschen verblieb in der Zwischenanstalt, viele von ihnen wurden in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Nach offizieller Einstellung der „Aktion T 4“ am 24. August 1941 wurden die Opfer des dritten Transportes in Weilmünster und Hadamar durch bewusste Mangelernährung, systematische Vernachlässigung oder Medikamente gezielt ermordet.
Wenige Menschen überlebten.